Berlin, 15. September 2023

Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung „Entwurf eines Schleswig-Holsteinischen Wohnraumschutzgesetzes (SHWoSchG)“ Drucksache 20/899

PDF zur Stellungnahme zum Wohnraumschutzgesetz in Schleswig-Holstein

Der Deutsche Ferienhausverband (DFV) vertritt als größter Branchenverband die Interessen der Ferienimmobilienbranche in Deutschland. Wir danken Ihnen an dieser Stelle herzlich, zu dem vorliegenden Gesetzentwurf Stellung nehmen zu dürfen.

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat sich in den letzten Jahren vielerorts zugespitzt. Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn Kommunen dieser Entwicklung entgegenwirken wollen. Ein Hauptgrund liegt allerdings darin, dass zu wenig bezahlbarer Wohnraum neu gebaut wird. Baukosten sind gestiegen, derweil sich Baukredite verteuert haben. Niedrigzinsen haben in den letzten Jahren zudem dazu geführt, dass verstärkt in Immobilien investiert wurde und sich die Preisspirale auf dem Immobilien- und Mietmarkt deutlich nach oben entwickelt hat. In Heiligenhafen haben sich beispielsweise die Quadratmeterpreise für Ein- und  Zweifamilienhäusern von 2018 zu 2022 mehr als verdoppelt. (LBS-Immobilienmarktatlas „Regionen in Schleswig-Holstein“ (2018, 2020 und 2022)

Das wirkungsvollste Mittel gegen mangelnden Wohnraum ist es, Bauen wieder erschwinglicher zu machen und bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit niedrigen Einkommen zu fördern.

In den meisten Großstädten, die von Wohnungsmangel betroffen sind, liegt der Anteil der Ferienwohnungen am Gesamtbestand bei deutlich unter 1%. Die Auswirkungen eines Zweckentfremdungsverbots auf den Mietmarkt sind entsprechend marginal. In Tourismusorten, wo der Anteil deutlich höher liegt, machen Ferienwohnungen und -häuser hingegen einen wichtigen Wirtschaftsfaktor aus. Sie bringen Wirtschaftskraft auch in  strukturschwache Regionen, sichern Einkünfte längst nicht nur bei den Eigentümern und stellen nicht zuletzt über Steuern und Abgaben eine wichtige Einnahmequelle für die Kommunen dar.

Bedeutung des Ferienhausmarktes in Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein ist traditionell ein Bundesland, in dem der Ferienhaustourismus besonders stark ist.
Erstmalig wurde der gesamte Ferienimmobilienmarkt inklusive des privaten Markts in Deutschland in einer Studie von Fewo-direkt und dem DFV aus dem Jahr 2015 untersucht. (Als privat gelten alle Anbieter mit weniger als zehn Betten, diese werden in den amtlichen Beherbergungsstatistiken bislang nicht erfasst. Quelle: Der Ferienhausmarkt in Deutschland – Volumen und ökonomische Bedeutung. http://www.deutscherferienhausverband.de/studie-ferienhausmarkt-in-deuschland-2015)
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Laut der Studie von 2015 fanden 45 Prozent aller Übernachtung von Feriengästen in Schleswig-Holstein in einer Ferienimmobilie statt (knapp 10 Mio. Übernachtungen in privaten Ferienwohnungen und -häusern, 6 Millionen bei gewerblichen Ferienimmobilienanbietern). Allein der private Ferienhausmarkt in Schleswig-Holstein erzielte 2014 719 Millionen Euro Bruttoumsatz pro Jahr. Die Gäste sorgen dabei nicht nur bei den Vermietern für Einnahmen, auch die touristische Wertschöpfungskette vor Ort (insbesondere Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungen im Bereich Freizeit, Kultur und Mobilität) profitiert erheblich. Mehr als 60 % des durch Ferienhaustouristen erzielten Bruttoumsatzes fließen in diese Branchen.

Der DFV hat eine erweiterte Neuauflage dieser Studie in Auftrag gegeben. Mit den Ergebnissen ist Anfang November zu rechnen. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass die Bedeutung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern für das Urlaubsland Schleswig-Holstein und die regionale Wirtschaft noch einmal zugenommen hat. Schleswig-Holstein liegt dabei unter den TOP 3 in Deutschland.

Zweckentfremdungsverbote müssen sinn- und maßvoll sein
Dass ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stehen muss, steht außer Frage. Es ist auch im Interesse unserer Branche, wenn eine ausreichende Versorgung mit Wohnraum Lebensqualität, gewachsene Strukturen und Tourismusakzeptanz in der Bevölkerung erhält. Auch für die Anwerbung von Arbeits- und Fachkräften ist bezahlbarer Wohnraum ein wichtiger Faktor.

Deshalb ist für uns nachvollziehbar, dass Tourismuskommunen mit einer besonders angespannten  Wohnsituation die Umwandlung von Wohnraum begrenzen wollen. Allerdings sollten bestehende touristische Strukturen und Angebote erhalten bleiben. Der Ferienhausurlaub ist insbesondere für Familien von hoher Attraktivität, da das Angebot den besonderen Bedürfnissen dieser Zielgruppe gerecht wird (z. B. eine familienfreundliche Unterbringung, die den Bedürfnissen unterschiedlicher Altersstufen gerecht wird, Privatsphäre, Komfort (auch bei schlechtem Wetter), Bezahlbarkeit). Um die Vielfalt des touristischen Angebotes zu erhalten und den Menschen in Schleswig-Holstein die Möglichkeit zu geben, am Tourismus teilzuhaben, ist es daher wichtig, eine ausgewogene Regulierung zu finden, die die Vermietung von Ferienwohnungen und -häusern und Homesharing (das gelegentliche Vermieten der eigenen, selbst bewohnten Wohnung) weiter ermöglicht. Insbesondere ist auf einen umfassenden Bestandsschutz zu achten, der gewachsene touristische Strukturen erhält. Weder Homesharing noch die kurzzeitige Vermietung von Zweitwohnungen (beide stehen dem Langzeit-Wohnungsmarkt ohnedies nicht zur Verfügung) entziehen Wohnraum.

Ein Zweckentfremdungsverbot stellt einen weitreichenden Eingriff in das in Artikel 14GG garantierte Eigentumsrecht dar. Deshalb sollten regulatorische Schritte nur dann eingeleitet werden, wenn zuvor eine evidenzbasierte Evaluierung und Prüfung stattgefunden hat, ob und inwieweit ein Zusammenhang zwischen der Vermietung von Ferienwohnungen und der Wohnungsnot besteht und ob eine Regulierung Abhilfe schaffen wird. Letzteres sollte regelmäßig evaluiert werden. Wir begrüßen es deshalb, dass der vorliegende Gesetzentwurf es in der Entscheidungshoheit der Städte und Kommunen belässt, ob sie eine Zweckentfremdungssatzung erlassen wollen. Diese können anhand der Fakten am besten beurteilen, ob ein solcher regulatorischer Schritt notwendig ist. Der Gesetzentwurf geht damit auch mit dem Entwurf der Short Term Rental- Initiative der EU-Kommission (s.u.) konform, die es ebenfalls in der Verantwortung der Städte und Kommunen belässt, ob diese regulatorisch eingreifen wollen.

Bestandsschutz schafft Rechtssicherheit
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass der vorliegende Entwurf in §10, Absatz 3 einen umfassenden  Bestandsschutz für Wohnungen vorsieht, die vor Inkrafttreten der jeweiligen Satzung bereits zu anderen als Wohnzwecken genutzt wurden. Dies schafft Rechtssicherheit bei den Betroffenen und entlastet auch die Kommunen. Ferienwohnungen und -häuser dienen häufig als private Vorsorge für die Alterseinkünfte oder als Sicherheit für die Finanzierung des eigenen Wohnhauses. Die Interessen dieser Menschen werden durch den vorgesehenen Bestandsschutz angemessen berücksichtigt.

Ein Bestandsschutz hat noch weitere positive Effekte. Die touristische Infrastruktur und die Vielfalt des Angebots bleiben erhalten. Diese sind maßgeblich für die Attraktivität eines Tourismusstandorts – nicht nur für Gäste, sondern auch für Einheimische. Auch eine bürokratische Belastung der Betroffenen, oft Privatpersonen und Kleinunternehmer, wird so vermieden. In diesem Zusammenhang begrüßen wir auch, dass gemäß §11, Absatz 3 eine Genehmigung dann als erteilt gilt, wenn der Antragsteller nicht binnen 3 Monaten eine Entscheidung der zuständigen Behörde zugeht. Dies gibt Rechtssicherheit.

Mit einem Bestandsschutz können Gastgeber bereits bestehende Beherbergungsverträge – Ferienwohnungen werden oft mit langem Vorlauf gebucht – auch nach Erlass einer Zweckentfremdungssatzung einhalten. Ein solcher bietet mithin auch Urlaubern Sicherheit und ungetrübtes Urlaubsvergnügen. Würde ein Bestandsschutz nicht gewährt, müssten die Kommunen vor allem im ersten Jahr nach Inkrafttreten zeitnah eine Vielzahl an Genehmigungsverfahren bewältigen. Ein fehlender oder nicht ausreichender Bestandsschutz birgt zudem die Gefahr, dass Ferienwohnungen und -häuser infolge an solvente Investoren veräußert würden, die diese vornehmlich nur noch zur eigenen Nutzung vorsähen. Rolladensiedlungen mit all ihren negativen Effekten könnten eine Folge sein.

Tagesobergrenzen an den sich wandelnden Bedürfnissen der Menschen ausrichten
Gerade in den letzten Jahren hat sich unsere Arbeitswelt und damit unser Leben erheblich verändert. Die zunehmende Flexibilisierung von Arbeit, Auslandsaufenthalte, Workation, Auslandssemester und auch längere Arbeitsaufenthalte abseits des Wohnorts bestimmen die Lebensrealität einer wachsenden Anzahl von Menschen und sorgen dafür, dass Menschen sich über viele Wochen und Monate nicht an ihrem Erstwohnsitz befinden. Wird die Wohnung in diesen Zeiträumen z.B. an Urlauber vermietet, wird diese nicht dem Mietmarkt entzogen.

Der Gesetzentwurf benennt eine genehmigungsfreie Nutzung für die Kurzzeitbeherbergung von 14 Wochen. Wir schlagen vor, dass eine genehmigungsfreie Nutzung dann genehmigungsfrei ist, wenn der Charakter einer Hauptwohnung erhalten bleibt. Der Gesetzentwurf stellt deshalb auch in §10, Absatz 2 die Nutzung von weniger als 50 % der Wohnfläche ohne Tagesobergrenzen genehmigungsfrei. Analog dazu sollte die Kurzzeitvermietung erst dann genehmigungspflichtig werden, wenn der Wohnraum mehr als 181 Tage im Jahr vermietet wird.

Auskunftspflichten
Auskunftspflichten wie in § 14 des Entwurfs stellen einen Eingriff in den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz dar. § 22 Abs. 3 TTDSG stellt deshalb etwa strenge Voraussetzungen an die Zulässigkeit einer Auskunftserteilung durch Dienstanbieter. Diese setzen nach der aktuellen Rechtsprechung (Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 16. Juni 2021 (Az. 12 CS 21.1413) und vom 13.12. 2022 (Az. M 29 K 20.1369) u.a. eine positiv festgestellte Zweckentfremdung voraus. Dies sollte im Wortlaut des Entwurfes ergänzt werden. Den bestehenden Handlungsspielraum für Kommunen nutzen In Schleswig-Holstein ist das einvernehmliche Miteinander von Ferien- und Dauerwohnen seit Generationen gelebte Wirklichkeit. In der Regel verläuft dies konfliktfrei bzw. lassen sich Konflikte auf Grundlage bestehender Gesetze lösen. Die bestehenden rechtlichen Regelungen in Baugesetzbuch und Baunutzungsverordnung geben den Kommunen bereits ein weitreichendes Instrumentarium an die Hand, um unerwünschte Entwicklungen zu regulieren, beispielsweise durch an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten und Herausforderungen angepasste Bebauungspläne oder die Regulierung von Bruchteilseigentum und Nebenwohnungen (Siehe als aktuelles Beispiel Nutzungsuntersagungen im Kreis Nordfriesland).

Auch bei der Anwendung des Bau- und Planungsrechts sollte maßvoll vorgegangen und die wirtschaftliche Bedeutung des Ferienhaustourismus für eine Region und seine Bewohner angemessen berücksichtigt werden.
Transparenz auf dem Markt – Short Term Rental-Initiative und DAC7-Richtlinie 70% der Übernachtungen in Ferienhäusern und -wohnungen bundesweit finden bei privaten Anbietern statt. Hinzu kommen gelegentliche Homesharer, die bei eigener Abwesenheit an wechselnde Gäste vermieten. Diese werden in den amtlichen Beherbergungsstatistiken der Bundesländer bisher nicht erfasst, wenngleich Eurostat, die Statistikbehörde der EU, dank einer Partnerschaft mit Online-Plattformen, bereits seit einigen Jahren regelmäßig touristische Daten mit dem Bundesamt für Statistik teilt. (Eurostat – Guest nights spent at short-stay accommodation offered via collaborative economy platform:
https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/TOUR_CE_OAN3/default/table?lang=en;
Mehr Informationen zu Datenkooperation der Online-Plattformen mit der EU-Kommission hier:
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/IP_20_194)

Die EU-Kommission arbeitet aktuell an einer Verordnung zur Regulierung von Kurzzeitvermietungen (Short Term Rental-Initiative), die eine umfassende Registrierungs- und Auskunftspflicht von Anbietern wie auch Vermittlungsplattformen vorsieht. Die Umsetzung dieser Verordnung wird zu mehr Transparenz und hoffentlich auch einer Harmonisierung der Regelungen führen. Die unterschiedlichen Regulierungen in den Bundesländern und Mitgliedsstaaten sorgen vor allem auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen für eine zunehmende bürokratische Belastung. Auch durch die nationale Umsetzung der DAC7-Richtlinie, die am 01.01.2023 in Kraftgetreten ist, werden Daten erhoben, die für eine größere Transparenz auf dem Markt sorgen werden. (Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts).

Es wäre vor diesem Hintergrund aus unserer Sicht sinnvoll, die unmittelbar bevorstehenden neuen EU-Vorgaben und die damit einhergehende neue Datentransparenz vorerst abzuwarten, um evidenzbasiert und im Einklang mit den EU-Regeln vorgehen zu können.